Bericht zur Bürgerfahrt in Sindelfingens Partnerstadt Torgau vom 29. Juni bis 02. Juli 2017

Die Reisegruppe vor Schloss Hartenfels, Torgau

44 Reisende freuten sich auf die Bürgerfahrt nach Torgau; die Reise begann am Donnerstag pünktlich um 07:30 Uhr – leider bei strömendem Regen. Dies tat jedoch der guten Laune der Teilnehmenden keinen Abbruch.

Die erste Station unserer Reise war Erfurt, Landeshauptstadt des Freistaates Thüringen. Nach einem leckeren, mittelalterlichen Mittagessen zwischen Ritterrüstungen und rustikalem Ambiente im Wirtshaus „Christoffel“ warteten zwei Gästeführer für den Stadtrundgang auf uns.

In zwei Gruppen aufgeteilt, gingen wir durch den mittelalterlich geprägten Altstadtkern Erfurts. Vorbei am Collegium Maius, dem ehemaligen Hauptgebäude der Alten Universität und heutigem Landeskirchenamt der evangelischen Kirche. Am Fluss Gera machten wir Station an der Kramerbrücke. Die Kramerbrücke gehört zu den bekanntesten Wahrzeichen und ältesten Bauwerken Erfurts. Die Besonderheit dieser Brücke ist, dass sie (so unser Stadtführer) die einzige Brücke Europas ist, die eine beidseitige, geschlossene Bebauung mit Fachwerkhäusern aufweist und sie ist Teil des alten Handelswegs „Via Regia“.

Weiter ginge es zum Rathaus und zum „Fischmarkt“ mit seinen wunderschönen Patrizierhäusern aus der Renaissance.

Erstmals urkundlich erwähnt wurde Erfurt 742 zusammen mit der Errichtung des Bistums Erfurt. Im Jahre 1389 wurde die Universität Erfurt als dritte Universität in Deutschland errichtet. Der bekannteste Student dieser Universität war ohne Frage Martin Luther.

Eine weitere Station war der Waidspeicher. Erfurt gehörte bereits im 13. Jahrhundert zu den größten Waidmärkten des Reiches. Das Färberwaid oder auch „Deutsche Indigo“ wurde rund um Erfurt angebaut. Um aus dieser Pflanze die Blaue Farbe zu gewinnen, mussten die Blätter zunächst zu Mus verarbeitet und anschließend zu sogenannten Waidballen geformt und getrocknet werden. Für die endgültige Farbgewinnung, mussten nun die getrockneten Bällchen mit Harnstoff – damals also Urin – angefeuchtet werden. Harnstoff so begehrt, dass vor den Waidspeichern die Passanten sogar bezahlt wurden, wenn sie ihren Urin „abgaben“.

Die knapp zweistündige Stadtführung endete auf dem Domplatz vor dem Erfurter Dom und der Severikirche. Sehenswert im Dom ist die „Gloriosa“, die größte freischwingende mittelalterlichen Kirchenglocke der Welt.

Vom Domplatz hatten wir noch einen schönen Blick auf die barocke Zitadelle Peterberg. Für eine Besichtigung reichte leider die Zeit nicht mehr. Wir mussten ja weiter nach Torgau.

Erfurt, Blick auf die Kramerbrücke

In Torgau angekommen, bezogen wir unsere Hotelzimmer. Anschließend ging es gemeinsam zum Abendessen in das Restaurant „Herr Käthe“. Dort wartete als kulinarischer Abschluss des 1. Abends ein fünfgängiges ‚Reformationsmenü‘ auf uns mit allerlei Köstlichkeiten der damaligen Zeit. Als ersten Gang wurde eine Kürbissuppe serviert, weiter ging es mit einer mit Speck ummantelte Wachtel dazu Hirsebrei. Als dritten Gang gab es sautierten Flussfisch mit Flusskrebsen und anschließend als Hauptgang eine Entenkeule mit Erbsenbrei; zum Nachtisch wurden dann noch äußerst leckerer Plinsen (Pfannenkuchen) mit Apfelkompott aufgetischt. Bei diesem Essen wurden wir wirklich in die Zeit von Martin Luther versetzt. Müde und satt beendeten wir den ersten Tag unserer Reise

Der zweite Tag, Freitag, war unser „Torgau-Tag“.
Um 10 Uhr empfing uns Frau Oberbürgermeisterin Barth im wunderschönen Rathaus der Stadt. Bei Getränken und Keksen wurden wir mit einem Film über Luthers Frau Katherina auf unsere anschließende Stadtführung eingestimmt. Schülerinnen und Schülern des Torgauer Gymnasium haben diesen Film erarbeitet und produziert. Nach dem Empfang ging es mit Katharina von Bora (auch Herr Käthe oder Katharina Luther genannt) in Person von Frau Meinel, in Gewand und Sprache der Reformationszeit durch die schöne Stadt Torgau.

Empfang durch Frau Oberbürgermeisterin Barth; hier Brigitte Stegmaier, Vorsitzende links, sowie Alexandra Keller, stellvertretende Vorsitzende, rechts

Ein Stadtbummel durch die historische Altstadt von Torgau gleicht einer Zeitreise in die Renaissance. Besonders beeindruckend ist der Markt mit dem Renaissance-Rathaus und dem Ensemble prächtiger Patrizierhäuser. Zudem befinden sich in der Stadt das älteste Spielwarengeschäft Deutschlands und eine der ältesten Apotheken Sachsens, die Mohrenapotheke.

Viel Zeit verbrachten wir in dem zum Museum ausgebauten Bürgermeister Ringenhain-Haus. Dieses von außen schlichte Bürgerhaus überrascht innen mit seinen aufwendig gestalteten Decken- und Wandgemälden des 16. Jahrhunderts. Historische Möbel und Einrichtung verschafften uns einen Einblick in die Lebensweise der damaligen Zeit. Das Ringenhain-Haus ist das kultur- und kunsthistorisch bedeutendste Bürgerhaus der Renaissance in Mitteldeutschland.

„Torgaus Bauten übertreffen an Schönheit alle aus der Antike“, hat Martin Luther gesagt. Das gilt damals wie heute: 500 Baudenkmale im Stil der Renaissance und der Spätgotik machen Torgau in Sachsen zu einem städtebaulichen Kleinod von internationalem Rang.

Der große Wendelstein

Das beeindruckendste Bauwerk der Stadt ist Schloss Hartenfels mit dem großen Wendelstein: Wie ein Schneckenhaus führt die elegant gewundene steinerne Treppe nach oben. Die Schlosskirche wurde nach Luthers Vorgaben errichtet und von Reformator 1544 persönlich geweiht. Doch nicht nur Luther selbst wird in Torgau geehrt. 1552 floh seine Witwe vor der Pest mit ihren Kindern nach Torgau, wo sie kurz darauf verstarb. In ihrem Sterbehaus erinnert ein Museum an die „berühmteste Pfarrfrau der Welt“, Katharina von Bora.

Stimmungsvoller Abschluss der Stadtführung war ein Orgelkonzert von Ekkehard Saretz in der Schlosskirche. Herr Saretz war schon des Öfteren für Orgelkonzerte in Sindelfingen.

Der Nachmittag stand zur freien Verfügung, damit jeder Torgau für sich genießen konnte. Am Abend trafen sich alle im Café im Schloss. Diesen Abend organisierte für uns Eberhard Sowa, der seit vielen Jahren immer wieder zum Straßenfest nach Sindelfingen kommt, aber auch als Nikolaus an unserem Weihnachtsmarkt bekannt ist. Wir erfreuten uns an einem lecker leichten Sommerbüffet und Gesangseinlagen.

Schlosskirche zu Wittenberg

Der dritte Tag unserer Reise führte in die Lutherstadt Wittenberg.
Wir begannen unsere Erkundigungen mit einer wunderschönen Panorama-Schifffahrt auf der Elbe. Die Fahrt führte uns zwei Stunden durch das UNESCO Weltnaturerbe „Flusslandschaft Elbe“, dem Biosphärenreservat Mittelelbe. Gemütlich schipperten wir durch die naturbelassene Auenlandschaft mit seiner einzigartigen Flora und Fauna. Zur Stärkung wurde uns an Bord noch ein kleines Mittagessen serviert.

Thesentür an der Schlosskirche

Nach der Schifffahrt gab es noch genügend Zeit, Wittenberg schon einmal vorab auf eigene Faust zu erkunden, bevor wir uns zur Stadtführung an der Schlosskirche trafen. Highlights der Stadtführung waren die vier UNESCO Weltkulturerben der Stadt: die Schlosskirche zu Wittenberg, die Stadtkirche St. Martin, das Melanchthonhaus sowie das Lutherhaus.

Martin Luther und die Reformation machten zweifelsohne die Stadt Wittenberg weltberühmt. Entscheidend geprägt haben die heutige Lutherstadt lange vorher die askanischen Herzöge von Sachsen. Sie bestimmen die Kirche des Wittenberger Franziskanerklosters um 1270 zum Ort ihrer Familiengrablege.

Die Schlosskirche war zu dieser Zeit auch die Aula der Universität. Die damalige hölzerne Kirchentür diente den Studenten und Professoren als „schwarzes Brett“, an das Martin Luther seine 95 Thesen angeschlagen hat. Die Originaltür wurde leider durch ein Feuer vernichtet. Heute ist eine prächtige Bronzetür angebracht, auf der die 95 Thesen dargestellt sind.

Gemäldesignatur von Lucas Cranach

Besonders interessant war die Anlage der Wohn- und Arbeitshäuser der Familie Lucas Cranach, der ein begnadeter Maler und ein ebensolcher Geschäftsmann war. Er war im Übrigen der einzige Maler, der Martin Luther porträtieren durfte. In der Stadtkirche St. Martin, dem ältesten Gebäude der Stadt, sind neben dem berühmten Reformationsaltar auch weitere Werke von Lucas Cranach dem Älteren sowie Lucas Cranach dem Jüngeren zu bestaunen. Die Gemäldesignatur von Lucas Cranach war die geflügelte Schlange und gilt als eins der ersten Warenzeichen der Welt. In der Werkstatt von Cranach wurden schätzungsweise 5.000 Gemälde erschaffen.

Eine weitere Station unserer Stadtführung führte uns zum Wohnhaus von Philipp Melanchthon, einem Studienkollegen und Weggefährten Luthers.

Das Lutherhaus, ein früheres Augustinerkloster, war nicht nur Wohnhaus der Familie Luther, sondern diente Martin Luther auch zu Vorlesungen vor Studenten aus aller Welt. Während sich Martin Luther mit geistigen Themen beschäftigte, führte Katharina den Haushalt wie ein mittelständisches Unternehmen. Ihr zu Ehren ziert eine Bronzestatue den Innenhof.

Wieder zurück in Torgau ließen wir den Abend dank einer Einladung der Torgauer Feuerwehr mit sächsischen Bratwürsten und Bier ausklingen. Sehr interessant waren diverse Führungen durch das Feuerwehrmagazin.

Der vierte und letzte Tag unserer Bürgerfahrt begann sehr früh um 7.30 Uhr mit der Abfahrt nach Weimar. Dort wurden wir bereits wieder von den Stadtführern erwartet. Weimar ist wohl die bekannteste Stadt im Freistaat Thüringen. Eng verbunden mit Weimar sind die Namen der Dichter Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller.

Goethe-und Schiller-Denkmal in Weimar

Noch heute sind die beiden Wohnhäuser von Goethe und Schiller die beliebtesten Ziele für Touristen. Das ehemalige Wohnhaus von Goethe am Frauenplan bietet Einblicke in die Wohn- und Arbeitsräume des bekanntesten deutschen Dichters. Unweit des Goethehauses befindet sich das Schillerhaus, in dem die Wohn- und Arbeitsräume von Schiller zu sehen sind.

Vor dem Nationaltheater steht das Goethe-und-Schiller-Denkmal, das 1857 enthüllt wurde. Dieses Denkmal zeigt schön auf, dass Goethe und Schiller sich gegenseitig respektierten, aber wahrlich keine Freunde waren.

Im Zentrum Weimars liegt der „Park an der Ilm“, dessen Gestaltung damals von Goethe stark beeinflusst wurde. In diesem Park befindet sich auch Goethes Gartenhaus, in welchem der Dichter zahlreichen seiner Werke schrieb.

In der Stadtmitte befindet sich das Residenzschloss, das zum Weltkulturerbe der UNESCO gehört.

Als weiteres UNESCO Weltkulturerbe besuchten wir die Herderkirche (Stadtkirche St. Peter und Paul). Sehenswert ist in dieser Kirche das dreiflüglige Altarbild, welches von Lucas Cranach dem Älteren begonnen und von Lucas Cranach dem Jüngeren vollendet wurde. Auch Martin Luther war zwischen 1518 und 1540 des Öfteren in Weimar und predigte in der Stadtkirche.

Als Gegensatz zur klassischen Seite Weimars präsentiert sich das moderne Weimar. Unter anderem wurde hier im Jahr 1919 das Bauhaus gegründet, welches für modernes Wohnen und für modernes Design steht. An die Anfangsjahre und die Geschichte der Bauhaus-Bewegung erinnert heute das Bauhaus-Museum.

Nach einem Mittagessen im „Sächsischen Hof“ ging es mit unserem Bus der Firma Hassler Reisen wieder zurück nach Sindelfingen. Eine sehr schöne und informative Reise war zu Ende. Die Stadtführungen waren äußerst fachkundig und sehr informativ. Für uns alle war es nicht nur eine Reise in die Partnerstadt Torgau. Wir befanden uns vier Tage lang auf den Spuren von Martin Luther und tauchten ein in die Kultur- und Reformationszeit mit seiner Geschichte.

In einem waren wir uns alle einig, auf die nächste Bürgerfahrt nach Torgau werden wir nicht wieder 13 Jahre warten, sondern diese definitiv früher planen. Die nächste Gelegenheit wäre ein Besuch der Landesgartenschau in Torgau 2022.

Wir hoffen, dass Torgau zum 30jährigen Bestehen der Partnerschaft auch eine Bürgerfahrt nach Sindelfingen vorsieht – wir würden uns sehr darüber freuen.

Text: Brigitte Stegmaier / Alexandra Keller, Fotos: Alexandra Keller / Werner Stähle