Bürgerfahrt nach Chełm / Polen vom 07. bis 12. Juli 2016

37 Bürgerinnen und Bürger fuhren am 07. Juli pünktlich mit einem Reisebus der Firma Hassler zum Flughafen und mit dem Flieger weiter nach Krakau.

07. Juli Ankunft

Nach einem ruhigen Flug kommen wir 20 min. früher als geplant in Krakau an. Unsere erste Reiseführerin unterhält uns in einem lustigen Kauderwelsch. Wir fahren durch eine landwirtschaftlich geprägte kleinräumige intensiv genutzte und gepflegte Landschaft. Weizen- und kleine Gemüsefelder, die an unsere schwäbischen Handtuchfelder erinnern, wechseln sich ab. In der Ferne sehen wir das älteste Gebirge Europas, das 400 Mio. Jahre alte Heiligkreuzgebirge. Es galt auch als Treffpunkt von Hexen.

Die Führerin rühmt Polen als Hauptanzuchtgebiet von Tomaten, es gäbe auch 1.200 Erdbeersorten. Es wird auch Dessertwein angebaut. An der Strasse ziehen sich kilometerlang Obstanlagen hin. Neben Kernobst auch Beeren aller Art.

Uli Fritz informiert:

Polen ist etwa so groß wie Deutschland, hat aber nur halb so viel Einwohner. Auch die Landwirtschafts- und Waldflächen sind ähnlich. Die angebliche Arbeitslosigkeit von 7% wird von der Reiseführerin in Frage gestellt. Es gäbe wenig Unterstützung vom Staat und daher gingen viele zu Arbeit und Studium ins Ausland. 40% der Polen lebten im Ausland, es gäbe z.B. auch in Frankfurt polnisch geprägte Stadtteile. Das polnische Parlament verabschiedet 1791 die erste moderne Verfassung, die auch Vorbild der amerikanischen Verfassung ist. 1918 wurde Polen auf Druck der USA wieder gegründet. Bei Lublin befinden sich die größten Kohleflöze Europas. Es werden auch neue erschlossen. Polen setzt auf Kohle.

Im Schlösschen Palac Smilowice essen wir in sehr schönem Ambiente sehr gut.

Für 3 Tage machen wir Station im Hotel Kamena in Chełm. Das Abendessen nehmen wir im Restaurant Toscana ein.

08. Juli in Chełm

Unter der Leitung von Aneta Szostak besichtigen wir Chełm und Umgebung. Auf einem Hügel über Chełm liegt das Kloster und der Ursprung von Chełm, aus dem 13. Jahrhundert. Unterwegs besuchen wir eine sehr gute Bäckerei, mit vielfältigem Angebot, die auch sehr gutes Eis bietet. Danach gehen wir in die Katakomben des Kalkbergwerks. Kilometerlange Tunnel, die sehr gut restauriert sind, unterhöhlen Chełm. Früher wurde von jedem Haus aus planlos gegraben, bis Mitte des 19. Jahrhunderts, dies untersagt wurde. Die Kreidegruben befinden sich jetzt außerhalb. Die Kreide ist u.a. Bestandteil von Zahnpasta. Gruseliger Höhepunkt ist das Erscheinen des Geistes. Das Mittagessen nehmen wir in Restaurant Gesie Sprawki ein. Es gibt u.a. mit Kalbfleisch gefüllte Pilze. Der Nachmittag steht zur freien Verfügung. Ich besuche Familie Obst, mit Cerealienfabrik, deren Sohn bei uns als Gast während des ERASMUS-Programms war. Abends werden wir im Forellenrestaurant Pstragowo vom Vizebürgermeister empfangen.
09. Juli Lublin und Umgebung

ispas-gruppe-2016Der Ursprung Polens liegt, lt. Reiseführerin in der Lubliner und Chełmer Gegend. Ursprünglich drängte Polen nach Osten. Die Ukraine mit Wilna und Kiew, bis ans Schwarze Meer, umfasste das großpolnische Reich. Die Ukrainer erhoben sich im 2. Weltkrieg gegen die Polen und haben 30.000 ermordet.

1965 gab es bereits den Hirtenbrief der polnischen Bischöfe zur Versöhnung mit Deutschland. 80% der Polen behaupten praktizierende Katholiken zu sein.

Die polnischen Bauern haben sich der Kollektivierung erfolgreich widersetzt.

Allerheiligen ist ein großes Fest über 2 Tage, das auch der Familienzusammenführung dient, dementsprechend ist auch der Verkehr.

Neben Posen ist Gniesen, das alte Zentrum von Großpolen. Dort ist auch der Sitz des Primas. Gniesen bedeutet Nest des weißen Adlers. Darauf soll auch das Weiß in der polnischen Flagge hindeuten.

Besuch des Schlosses  Kozlowka:

Seit 1799 ist die Geschichte des verspielten Schlösschen Kozłówka unweit von Lublin untrennbar mit den Zamoyskis, einer der prominentesten Familien unter der polnischen Aristokratie, verbunden. Die große Bedeutung der Familie begründete der humanistisch umfassend gebildete (1563 wurde er zum Rektor der Juristischen Fakultät der Universität von Padua gewählt.) Großkanzler und Feldherr Jan Zamoyski (1542-1605). Er schuf das erste Majorat auf polnischem Gebiet (die sog. Ordynacja Zamojska, aufgelöst erst nach dem Zweiten Weltkrieg im Zuge der Bodenreform), gründete die „ideale“ Stadt Zamość und stiftete hier die Akademia Zamojska – die nach den Universitäten in Krakau und Wilna dritte polnische Hochschule. Jan Zamoyski erbte 3 Dörfer und gründete 149 Dörfer, 6 Städte, viele Mühlen, Brauereien und Schmieden. Die Familie leistete immer Widerstand gegen die Besatzer. 1944 wurde sie enteignet, behielt nur noch Wohnrecht im Schloss.

Lublin:

Wir gehen durch eine prächtige Stadt mit schönen bemalten gotischen Häusern. Die Schlosskapelle von 1430 ist byzantinischen Ikonenstil bemalt.

1865 waren 60% der Bevölkerung jüdisch. Heute gibt es fast keine Juden mehr.

Exkurs zur Geschichte:

966 bewog die aus Tschechien stammende christliche Königin ihren Mann das Christentum anzunehmen. Dies fiel in die Zeit der Begründung des 1. Königtums, mit Unterstützung des Kaisers Ottos des Ersten, dem der polnische König lehenspflichtig war.

Maidanek:

Beklemmender Aufenthalt im ehemaligen Konzentrationslager. In den Schlafbaracken waren teilweise bis zu tausend Frauen, anfangs ohne Pritschen bzw. sonstiger Einrichtung eingepfercht. Es gab mehrere Felder  a`24 Baracken. Es war kein erklärtes Vernichtungslager, aber es herrschten chaotische Zustände und der Tod der Häftlinge war einkalkuliert und erklärtes Ziel. Das Lager liegt in unmittelbarer Nachbarschaft von Lublin, die Häftlinge wurden über die Hauptstraße getrieben und der Gestank der Verbrennungsöfen lag über der Stadt.

blick-auf-die-stadt_Abends in Chełm:

Treffen mit den Deutschlehrerinnen und sehr schönem Buffet mit Flusskrebsen im Restaurant Gospoda 100 Pociech. Die meisten Lehrerinnen sind trotz Ferienzeit gekommen und wir erleben einen sehr unterhaltsamen Abend. Höhepunkt ist die Lesung aus dem “König der Diebe” und das Vorspielen von Rappsongs nach klassischen Vorbildern, u.a. “Der Erlkönig”. Es wird auch Interesse für einen Besuch des ISF bekundet. Es soll ein Team mit einer Gastronomielehrerin kommen, der Stadtvizepräsident will sich um den Transport kümmern.

10. Juli Aufbruch von Chełm

Exkurs in Geschichte:

Der Sieg des polnischen Königs über die Deutschordensritter im Jahr im Jahr 1410 wird alljährlich am 14.07. nachgestellt.

Auffallend unterwegs sind die vielen Neubauten einheitlich in Gelb und mit Säulen; angeblich in Eigenleistung gebaut von Auslandspolen.

Die erste Autobahn führt von Kattowitz nach Warschau – 400 km. Eine weitere wurde, mit Unterstützung der EU von Dresden nach Breslau – 100 km- gebaut.

Lt. Reiseführerin ist die kath. Kirche sehr reich; trotzdem bekommen Priester eine “gute” Rente vom Staat.

Szczebrzeszyn [ʃtʃɛ’bʒɛʃɨn]: berühmt für seinen Zungenbrecher über den Käfer im Schilfrohr

Naturschutzgebiet Roztocze:

Gut erschlossen mit Holzbohlenwegen. Es bietet sich für einen Kurzurlaub in Bungalows an; wir haben in der Kürze der Zeit nur einen kleinen Eindruck. Infolge der nationalen Aufstände sind auch heute noch die Bäume mit Kugeln durchsiebt, welches immer noch Probleme beim Sägen erzeugt. Die Holzkirche bei Gorecko mit der schönen Umgebung, mit Baumheiligtümern und einer sprudelnden Quelle laden zum Verweilen ein, aber die Zeit drängt.

Zamosc – Perle der Renaissance:

Die nächste Station ist für mich die schönste Stadt, die nicht einmal von den italienischen Städten übertroffen wird. Architekten werden noch heute Bernardo Morando beneiden. Der venezianische Architekt bekam Ende des 16. Jahrhunderts vom damaligen Großkanzler Jan Zamoyski den Auftrag zum Bau von Zamość. Rücksicht auf alte Bausubstanz brauchte er nicht nehmen. Die Stadt sollte auf freiem Feld errichtet werden. So schuf Morando die „ideale Stadt“, der er seinen (italienischen) Renaissance-Stil verlieh. Als Vorbild diente ihm die italienische Stadt Padua. Die Arbeiten begannen 1581 und 1605 konnte Morando seine „Perle der Renaissance“ an Zamoyski übergeben.
Wir sitzen in zauberhaften Straßencafés und genießen den Blick auf  prachtvolle Kaufmannshäuser in wunderschönen Pastellfarben. Die Händler kamen sogar aus Griechenland und Armenien. Wir stehen auch vor dem Geburtshaus von Rosa Luxemburg. Mit Bahn oder Bus erreicht man die Stadt in 1,5 Std.

Exkurs Geschichte und Politik.:

Der ungarische König Bartody war einst im 16. Jhdt. auch König von Polen und Siebenbürgen.

Am 15.08.1920 gab es das Wunder der Weichsel als Pilsulski die Bolschewiken schlug.

Ein Arzt verdient 450 Euro.

Die neue Regierung setzt auf Sozialleistungen und auskömmliche Renten. Daher hat sie auch eine große Anhängerschaft. Es gibt aber auch viele junge Leute, welche die PIS-Partei förmlich hassen. Lech Waleska versuchen die neuen Machthabe zu diskreditieren.

Sandomierz:

Wir beziehen das Hotel Baztowy. Die Stadt liegt auf einem Hügel und hat eine idyllische Innenstadt auf welchem gerade ein Krämermarkt mit Angeboten aus der Region stattfindet. Die Stadt wird geprägt von einer Backsteingotik-Kirche. Auch diese ist mit byzantinischer Malerei ausgestaltet. Der Ort liegt an Sam und Weichsel. Der Sam entspringt in den Südostkarpaten. Umgeben ist sie von fruchtbarem Lößboden, der von der Ukraine herein reicht. Dementsprechend werden allerlei Früchte, Gemüse und Tomaten angebaut.

Krakau 11. Juli:

Es ist eine wahre Königsstadt mit prachtvoller Bebauung. Sie war auch viele Jahrhunderte Königssitz und wurde entsprechend ausgebaut. Besonders beeindruckend ist der 13 m hohe Veith-Stoß-Altar in der Marienkirche. Die Figuren sind 2,5 m hoch. Stoß hatte Probleme mit einem Banker und fälschte Urkunden. Er wurde, obwohl er in Nürnberg gepfählt wurde, 90 Jahre alt.

Am beeindruckendsten für mich ist Schindlers Fabrik, die wir nach langem Fußmarsch jenseits der Weichsel erreichen. Unterwegs stehen wir auch vor der Ghettowand. Am Abend sitzen wir noch im jüdischen Viertel, essen Piroggen und hören Klezmer-Musik.

Rückflug 12. Juli

Nach erlebnisreichen Tagen und voller Eindrücke, die unser Polenbild ganz neu erscheinen lassen, kehren wir wohlbehalten nach Sindelfingen zurück.

Wolfgang Trefz / 2016