Was ist es, was wir am Horizont entdecken?

Literaturprojekt

Eine Textcollage von Jugendlichen zu Versen von Peter Härtling

ISPAS e.V., der die Freundschaften mit den Sindelfinger Partnerstädten pflegt, nahm die Baden-Württembergischen Theatertage zum Anlass, Jugendliche aus Torgau (Sachsen), Frick (Schweiz) und dem Berufskolleg der Gottlieb-Daimler-Schule2 zu einem Schreibwerkstatt- und Performance-Workshop einzuladen.

Unter der Anleitung der Theaterpädagoginnen und Regisseurinnen Annette von der Mülbe und Anke Marx erarbeiteten 9 Jugendliche im Alter von 14 – 18 Jahren gemeinsam eine eigene Textcollage zu Versen von Peter Härtling aus dessen Gedichtszyklus HORIZONTTHEATER.

Peter Härtling, der leider im Juli dieses Jahres mit 83 Jahren verstorben ist, war ein Kriegskind, ein Flüchtlingskind, ein Fremder und Heimatloser, der in Württemberg, in Nürtingen, schließlich doch ein Stück Heimat fand.

Spannend war nun die Frage, ob die Jugendlichen den Mut aufbringen, sich ganz persönlich mit ihren Texten vorzustellen: Wie wirken die Verse von Peter Härtling auf Jugendliche von heute?

Und das Ergebnis der gemeinsamen kreativen Arbeit war nicht nur spannend, sondern es war ganz einfach großartig: In dem gut besuchten Theaterkeller Sindelfingens hielten die Jugendlichen mit ihren Texten und Aktionen das Publikum 45 Minuten in Atem. Sie begannen mit den Versen von Peter Härtling: …“du, erzähl, wie dein Land verschwand…“, bildeten eine scheinbar undurchdringliche Mauer, die sich nur langsam auflöste, so dass sie ihr anfängliches Schweigen durchbrachen. Alle Jugendlichen trugen einzeln oder chorisch ihre Texte zu den Impulsen von Peter Härtling vor. Das drohende Verschwinden ihres Landes wurde in sehr persönlichen, sehr intimen Texten vorgetragen, wobei es nicht nur um Vertreibungs-Ängste ging, sondern auch um die spürbare Vereinzelung durch das moderne goldene Kalb „Handy“. Mit ganz einfachen Mitteln des „Armen Theaters“, mit Tüchern und Tischen, stellten die Jugendlichen Peter Härtlings Verse „erzähl vom blutenden Fluss und der halbierten Brücke“ in den Mittelpunkt ihrer Performance. Sie erzählten in ihren eigenen Texten von der Bedeutung des Flusses in ihrem verschwundenen Land, sie erzählten von den Sternen, die es nicht interessiert, ob auf der Erde ein schrecklicher Krieg wütet, und stellten in verschiedenen Texten „mein“ Land „deinem“ Land gegenüber. Dieser Teil der Performance endete mit einer von allen Jugendlichen dargestellten Flüchtlings-Ballade, bei der dem Publikum das Lachen immer wieder im Hals stecken blieb.

Zum Schluss trugen alle – zuerst einzeln, dann chorisch – ihre „Horizont-Haikus“ vor, in der kürzesten Gedichtform der Welt. Viele sehr persönliche Facetten der Bedeutung von „Horizont“ wurden deutlich, besonders hallten die Worte einer der Jugendlichen nach, die den Zuhörern mit auf den Weg gab: „Der Abgrund der Welt / ist viel zu nahe an uns / gib auf dich Acht.“

Als am Ende der Performance die Bühne wieder im Dunkeln versank, herrschte lange eine atemlose Stille, bevor dann das jugendliche und das ältere Publikum gemeinsam mit großer Begeisterung den glücklichen jugendlichen Künstlern und ihren beiden Regisseurinnen für diesen unvergesslichen Abend dankte.