Bericht über Erasmus+ Jugend in Aktion 2016

GRENZERFAHRUNGEN – BORDERLINE EXPERIENCES. Meine Grenzen. Unsere Grenzen. Die Grenzen Europas.

Autor: Ulrich Von der Mülbe

Der Verein „Initiative Städtepartnerschaften Sindelfingen e.V.“ (ISPAS) hatte im November 2016 – inzwischen bereits zum siebten Mal – zu dem interkulturellen Jugendprojekt “GRENZERFAHRUNGEN – BORDERLINE EXPERIENCES. Meine Grenzen. Unsere Grenzen. Die Grenzen Europas.“ eingeladen: 37 Jugendliche im Alter von 15 – 18 Jahren kamen aus 7 Ländern der Europäischen Gemeinschaft, aus England, Frankreich, Italien, Kroatien, Ungarn, Polen und Deutschland im Rahmen von Erasmus+ als Gäste von ISPAS für 10 Tage nach Sindelfingen.

Die Gruppe 2016 mit den Begleitlehrern.
Die Gruppe 2016 mit den Begleitlehrer/-innen.

Bis auf die kroatischen Jugendlichen kamen alle Gruppen aus den Partnerstädten Sindelfingens. Sie erarbeiteten gemeinsam mit den beiden Theaterpädagoginnen Anke Marx und Annette von der Mülbe die Performance STRANDGUT, die sie zwei Mal im Jugendhaus „SÜD. Treffpunkt für Jugendkultur. Sindelfingen“ unter großer Anteilnahme und begeisterter Aufnahme durch die Öffentlichkeit aufführten.

Die „deutsche“ Gruppe setzte sich aus Jugendlichen einer Vorbereitungsklasse der Gottlieb-Daimler-Schule zusammen, die alleine oder mit ihren Familien aus Afghanistan, aus Syrien und aus europäischen Ländern in Deutschland Zuflucht gefunden haben.

In diesem Theater-Workshop konfrontierten die Jugendlichen ihre eigenen Lebensbedingungen mit der Situation der Menschen, die sich auf die Flucht begeben haben, um den katastrophalen Lebensbedingungen in ihrer Heimat zu entkommen, und die sich auf ihrer Flucht erhoffen, in Europa Asyl zu finden.

Als vorbereitende Aufgabe hatten wir alle teilnehmenden Jugendlichen gebeten, drei Dinge zu fotografieren, die sie mitnehmen würden, wenn sie aus ihrer Heimat fliehen müssten. Alle Jugendlichen schickten uns diese sehr persönlichen und auch sehr berührenden Fotos rechtzeitig zu dem Vorbereitungstreffen im Oktober in Sindelfingen. Gemeinsam mit den Delegierten der einzelnen Gruppen trafen wir eine Vorauswahl dieser Fotos für den eigentlichen Theater-Workshop.

Durch diese ganzheitliche Methode lernten die Jugendlichen sich auf einer Ebene kennen, die in ihrer Schule und ihrem Alltagsleben keinen Raum hat: Sie nahmen sich sensibler wahr, bauten Vorurteile ab, lernten sich gegenseitig – unabhängig von Herkunft, Nation, Sprache, Kultur, sozialer Schicht – zu respektieren und wertzuschätzen. Sie ließen sich ganz konkret auf die unterschiedlichsten, eigenen Lebensentwürfe der Projekt-Teilnehmer/-innen ein und entwickelten Empathie mit der Notsituation der Flüchtlinge. Vor allem auch deswegen, weil bei diesem Projekt Jugendliche mitwirkten, die sich selber auf die lange und bedrohliche Flucht nach Deutschland begeben hatten und nach einigem Zögern bereit waren, den anderen Jugendlichen von ihren Erlebnissen und Erfahrungen zu berichten.

Zu Beginn unseres Theater-Workshops fuhren wir gemeinsam 3 Tage nach Balingen ins „Haus der Volkskunst“. Dort entwickelten die Jugendlichen der einzelnen Länder-Gruppen mithilfe der Fotos aus Improvisationen Geschichten, die in die gemeinsame Abschlussperformance STRANDGUT mündeten. Bei all diesen Improvisationen war zu erkennen, dass die Jugendlichen sich zum Ziel gesetzt hatten, nationale Egoismen bei der Lösung der Flüchtlingskrise zu überwinden und damit dem Mainstream in ihrem Heimatland zu widersprechen.

Nach Sindelfingen zurückgekehrt, gönnten wir den Jugendlichen erst einmal eine „Theaterpause“: So konnten sie Sindelfingen in einer Führung kennenlernen, das Daimlerwerk besichtigen und bestaunen, die großartigen Ausstellungen im Schauwerk anschauen, nach Stuttgart zum obligatorischen Shopping fahren und das duale Ausbildungssystem in der Gottlieb-Daimler-Schule studieren.

Anschließend ging es im „SÜD. Treffpunkt für Jugendkultur“ wieder an die Arbeit für die gemeinsame Performance STRANDGUT. An den Abenden trafen wir uns dann mit den Gastfamilien bei unseren Ess-Kultur-Abenden im Katholischen Gemeindezentrum auf dem Goldberg. Diese Abende hatten die Jugendlichen mit ihren Begleitlehrer/-innen zuhause von langer Hand vorbereitet: Sie bereiteten ein leckeres Abendessen vor, das typisch für ihr Land war und sie stellten uns ihre Lebenswelt – aus der Sicht der Jugendlichen – vor. Für alle Beteiligten waren dies sehr spannende und informative Abende, weil wir aus erster Hand erfuhren, welche Einstellungen die Jugendlichen zur Europäischen Gemeinschaft und ihren Werten hatten und wie sie auf die Europa-Skeptiker in ihren Ländern reagierten.

Auf der Galerie im SÜD.
Auf der Galerie im SÜD.

Der höchste Höhepunkt in diesem an Höhepunkten reichen 10-tägigen Workshops war dann die gemeinsame Performance STRANDGUT an zwei Abenden im „SÜD. Treffpunkt für Jugendkultur“. Viele Zuschauer, Jung und Alt, kamen! Für viele von ihnen war dies der erste Besuch im „Süd“ und viele Besucher zeigten sich überrascht, wie perfekt dieses Jugendhaus eingerichtet war. Ganz begeistert waren alle von der großartigen Theateraufführung: In wenigen Tagen hatten diese Jugendlichen, von denen die meisten keinerlei Theatererfahrung hatten, es geschafft, gemeinsam eine fantastischen Performance auf die Bühne zu bringen! Im Anschluss an diese Aufführungen feierten dann alle miteinander, Jugendliche, Begleitlehrer/-innen, Gastfamilien, Organisatoren/-innen von ISPAS dieses gelungene Projekt!

Abschluss auf der Bühne mit den Landesflaggen.
Abschluss auf der Bühne mit den Landesflaggen.

Als dann der Abschied nahte, flossen viele viele Tränen und alle schworen, sich über die sozialen Netzwerke immer wieder zu kontaktieren und sich niemals aus den Augen zu verlieren!

Gerade in unseren schwierigen Zeiten, in denen die Zahl der Europa-Skeptiker anzuwachsen scheint, halten wir es für besonders wichtig, jungen Menschen diese positiven Erfahrungen eines geeinten Europas modellhaft möglich zu machen und diese positiven Seiten Europas der Öffentlichkeit vor Augen zu führen!