Die Initiative Städtepartnerschaften Sindelfingen (ISPAS e.V). organisiert regelmäßig Bürgerfahrten in Sindelfingens Partnerstädte. Im Frühsommer begab man sich auf Martin Luthers Spuren nach Torgau, nun ging es in Sindelfingens italienische Partnerstadt Sondrio, ebenfalls in Kooperation mit dem Reisebüro Hassler.
Sondrio liegt im Veltlin (Lombardei) und ist nur über die Alpen zu erreichen, deshalb war die Reisegruppe sehr froh, in den neuesten, supersicheren Bus zu steigen, der auf sie wartete.
Auf so einer langen Busreise sind für Mitreisende und Fahrer Unterbrechungen nötig, deshalb war neben kleineren Pausen ein Stopp in St. Gallen geplant. Die Stadt beeindruckte bei der Stadtführung mit ihren prächtig geschmückten Bürgerhäusern.
Sie ist mit 80 000 Einwohnern die höchstgelegene Stadt Europas (674 m ü. M.) und hat mit Stiftskirche und Stiftsbibliothek Sehenswürdigkeiten, die zum Unesco-Weltkulturerbe zählen. Auf der Weiterfahrt nach dem Mittagessen zeigte sich bei schönem Wetter die Natur in ihrer spektakulären Schönheit: glitzernde Gletscher hoch oben, Felsblöcke und Muren neben der Straße und karge, fast baumlose Öde im Hochgebirge. Erschöpft und doch aufgedreht saß man am Abend im Hotel beim gemeinsamen Essen und tauschte die Eindrücke untereinander aus.
Die Stadtführung in Sondrio und der Empfang bei Bürgermeister Dr. Alcide Molteni musste aus terminlichen Gründen auf den vorletzten Reisetag verschoben werden, deshalb ging es in die Umgebung von Sondrio. Das hervorragend von Dr. Stefania Stoppani (Stadt Sondrio) und Dr. Gudrun Kemmerling, Italia Graziano Frazzetta, Brigitte Stegmaier (alle ISPAS) zusammengestellte Programm sah an diesem Tag vor, an Weinbergen vorbei hinauf zu einem Aussichtsturm zu fahren und anschließend über die Strada dei Vini e dei Sapori (Straße des Weins und der Köstlichkeiten) nach Teglio. Dort wurde im Hotel-Restaurant Combolo, dem Mitgründer der Accademia del Pizzocchero di Teglio, die Herstellung von und Zubereitung mit Pizzoccheri gezeigt.
Pizzoccheri werden aus schwarzem Buchweizenmehl und Weizenmehl hergestellt und mit Saisongemüse und Kartoffeln gemischt gekocht, dann mit Veltliner Kase in eine Auflaufform geschichtet. Dieses Gericht und Sciatt, auch aus schwarzem Buchweizenmehl, waren früher bäuerliche Armeleuteessen und gelten jetzt als Aushängeschild der Veltliner Küche. Dieses Essen war eine gute Grundlage für die Weinprobe im Weingut Nino Negry. Die Zulieferung der Trauben hatte wegen des warmen Sommers schon begonnen, aber die interessante Führung durch die verschiedenen Keller konnte ungestört stattfinden.
Die riesigen Weinfässer aus verschiedenen Holzarten, die auf mehreren Ebenen aufgereiht waren, und die Erklärungen dazu beeindruckten die Sindelfinger Reisegruppe sehr und bereiteten auf die anschließende Weinprobe vor. Erschöpft und gesättigt fuhr man am späten Nachmittag nach Sondrio zurück.
Für den nächsten Tag war die Azienda Agrituristica La Fiorida vorgesehen. Das ist eine nachaltige Urlaubsfarm, in der alles aus eigener Produktion hergestellt wird. Der Produktweg in der Fiorida ist kurz und nachhaltig. Er bietet Erzeugnisse vom Stall durch die eigene Käserei
und Metzgerei auf die Tafel. Die totale Autonomie zeigt sich auch bei Heizung, Kühlung und Energie. Von der sorgfältigen Behandlung und dem Wohlbefinden der Tiere konnten sich alle bei der Einführung im Schulzimmer, eingerichtet für Schulkinder und Besuchergruppen, und dem Rundgang durch die Käserei, Stallungen und die übrige Anlage überzeugen. Vor dem Brunch gab es noch die Möglichkeit, sich im wohlsortierten Shop mit dem eigenproduzierten Lebensmitteln einzudecken, was viele gerne wahrnahmen.
Zurück in Sondrio gab es Zeit zur freien Verfügung. Abends trafen sich viele aus der Gruppe auf dem Garibaldi-Platz. Dort fand ein Rockkonzert mit der Gruppe The Sun statt. Schade, dass man die Texte nicht verstand und nur ein bisschen durch die Hintergrundbilder die interessante Geschichte dieser Gruppe erfuhr. Der Auftritt war ja auch für die auffallend vielen jungen Leute auf dem Platz gedacht. The Sun war international berühmt mit Auftritten in der ganzen Welt und stürzte völlig ab. Die Band löste sich auf und fand sich wieder zusammen durch die Entdeckung, dass Gott hält und hilft. Das wollen sie nun durch ihre Liedtexte und persönlichen Lebensgeschjchten bezeugen.. Aber auch ohne dies verstanden zu haben, wippten und tanzten anwesende Sindelfinger mit.
Sehr früh am nächsten Morgen war die Abfahrt nach Colico am Comer See. Die Fahrt mit dem Ausleger-Schnellboot nach Como war notwendig, weil die Umrundung des Sees mit dem Bus durch Straßenbaustellen sehr behindert gewesen wäre. Auch wenn die Sonne nicht strahlte, konnte man von der Seeseite aus die beeindruckende Natur und Bebauung bestaunen und bewundern. Auf dem Stadtrundgang in Como beeindruckte vor allem der Comer Dom.
Er ist das drittgrößte Gotteshaus in der Lombardei neben dem Mailänder Dom und der Kartause von Pavia. Alle drei wurden Ende des 14. Jhs. gegründet, im Laufe des 15. Jhs errichtet und in den folgenden Jahrhunderten vollendet. Die Architektur des Doms ist ein gelungenes Beispiel für die harmonische Verschmelzung unterschiedlicher Epochen. Die Umsicht der Architekten sowie das Geschick und die Erfahrung der Arbeiter vereinigen die aufeinander folgenden Baustile Gotik, Renaissance und Barock innen und außen. Man muss nur immer staunen, wie solche Bauwerke in der Vergangenheit ohne moderne Hilfsmittel so beeindruckend gestaltet werden konnten. Mit Schnellboot und Bus ging es zurück nach Sondrio.
Um 9:20 Uhr am nächsten Tag war der Treffpunkt für den Stadtrundgang die Piazza Garibaldi. Dieser Platz, eine typische Piazza aus dem 18. Jh., ist das Herz Sondrios und der Treffpunkt für alle, die die Stadt kennenlernen wollen. Von hier aus folgt man den kleinen Wegen und engen Straßen und kann so das historische Sondrio – das Sondrio der Renaissance, des Barocks und das neoklassische – und das moderne Sondrio gut zu Fuß erkunden. Es war auch den Sindelfingern wichtig, außerhalb ihrer schon selbst erlaufenen Wege durch die sachkundige und humorvolle Führung von Hannelore Geggus d’Anisi mehr über die Partnerstadt zu erfahren. Es gibt dort eben nicht nur breite Wege, sondern auch das fast vollständig erhaltene antike Bauernviertel Scarpatetti
mit den typischen Bauernhäusern mit Holzbalkonen und den steinernen Gewölbedecken, die Halterungen für Öllampen und die Steinbänke zum Ausruhen. Wie lange das unberührt bleibt, weiß keiner. Es haben sich auch hier schon Leute eingekauft, die eher nicht auf Unberührtheit stehen, sondern Komfort wollen. Auf dem Weg durch das Viertel hinauf zum Castello Masegra befinden sich drei kleine dem Marienkult gewidmete Kapellen. Ganz hinauf ging die Sindelfinger Reisegruppe jedoch nicht, weil Bürgermeister Dr. Alcide Molteni zum Empfang im Rathaus gebeten hatte. Das Rathaus, der Palazzo Communale, aus dem 11./12. Jh. ist ein sehenswertes Gebäude, das den Sindelfingern nach der warmherzigen und launigen Begrüßung durch den Bürgermeister gezeigt wurde. Besonders beeindruckt waren die meisten durch das Arbeitszimmer des Bürgermeisters mit der ganz speziellen Tür.
Als Überraschung hatte er eine erneute Weinprobe mit kleinem Imbiss in dem Kellergewölbe der lokalen Winzergenossenschaft organisiert. Danach war der restliche Nachmittag frei für ausgiebige Shoppingtouren in den reizenden kleinen Geschäften der Innenstadt. Leider waren die Lebensmittelgeschäfte nachmittags geschlossen, weil sie sonntags geöffnet hatten, und man konnte sich nicht mit dem guten Veltliner Obst für zu Hause eindecken. Ein gemeinsames Abendessen in einem typischen Innenstadtlokal beschloss den Aufenthalt in Sondrio.
Ziemlich früh war die Abfahrt nach Tirano zur historischen Berninabahn. Die von der Rhätischen Bahn eingesetzten Triebwagen werden auch heute noch als normales Fortbewegungsmittel von A nach B genutzt. Aber auch als Touristenmagnet neben den speziellen Panaromawaggons. Die Reiseleitung hatte die normalen Waggons der Berninabahn reservieren lassen mit einem lokalen Reiseleiter, es aber leider versäumt, beim Wettergott das richtige Wetter zu bestellen. Gutgelaunt erklärte der Reiseleiter die Aussicht, die man hätte, wenn es keinen Nebel gäbe. Es war ein bisschen schade vor allem für diejenigen, die sich extra wegen der Bahn zur Bürgerfahrt entschlossen hatten, aber man konnte sich auch so die Meisterleistung der Ingenieure und Arbeiter vorstellen, die zwischen 1905 und 1910 diese schwierige Strecke bewältigen mussten. Diese eingleisige meterspurige Bahn fährt teilweise auf Straßentrassen, ist 16 688 km lang und war von Anfang an gedacht als Verbindung vom italienischen Tirano zum schweizerischen St. Moritz. Dort wurde auch die Reisegruppe aus Sindelfingen vom Bus erwartet. Erst beim Einstieg in den Bus begann es zu regnen, vorher war es auf dieser Bürgerfahrt manchmal wolkig, manchmal sonnig, aber nicht zu heiß und nicht zu kalt. Ein perfektes Klima für Städtereisen. In jeder Hinsicht perfekt.